Streit vermeiden mit Achtsamkeit
Vor allem jetzt in der Quarantäne, wenn der Wohnraum knapp bemessen ist, dürfte aufgefallen sein, wie wichtig Achtsamkeit in Gesprächen mit den Liebsten ist, um Streit und genervtes Verhalten zu vermeiden. Wie geht man mit Angewohnheiten des Partners um, die nicht unseren Erwartungen entsprechen, und die zu Streitgesprächen ausarten? Wie kann man sie verhindern, ohne den Ärger in sich hineinzufressen und damit zu einer tickenden Zeitbombe zu werden?
Dynamik in Beziehungen
Je länger die Beziehung besteht, desto mehr Eigendynamik hat sie angenommen. Das bedeutet, dass kaum noch bewusst und achtsam auf den Partner eingegangen wird, sondern das Verhalten reaktiv und unbewusst geworden ist. Warum?
Der Mensch ist und bleibt ein konditionierbarer Organismus. Das heißt, dass wir aufgrund unserer Lebenserfahrung Muster abspeichern, die wir dann immer wieder abspielen. Wir lernen eine Sprache, übernehmen Traditionen der Familie, binden unsere Schuhbänder auf bestimmte Weise und eignen uns eben auch ganz gewisse Verhaltensweisen und -muster an.
Und so wie wir mit unseren Eltern eine ganz eigentümliche Dynamik haben, die wir nur mit ihnen zeigen, so ist das auch mit unserem Partner.
♦ »Kannst du nicht einmal das Geschirr wegräumen/spülen?«
♦ »Hast du den Müll schon wieder nicht runtergebracht?«
♦ »Wieso muss eigentlich ich das immer machen?«
♦ »Könntest du nicht wenigsten einmal …«
Kommt einem bekannt vor?
Das eigentliche Problem
Warum es zu diesen Unstimmigkeiten kommt, liegt offensichtlich daran, dass jeder Mensch bestimmte Erwartungen hat und glaubt, ein anderer sei dafür da, diese zu erfüllen.
Doch: Weder die Natur noch andere Menschen sind so zu biegen und zu formen, dass sie uns fortwährend befriedigen. Zu versuchen, die äußeren Umstände oder andere Menschen zu verändern, damit wir selbst zufrieden sind, wird auf Dauer nicht funktionieren.
Was also tun?
Achtsamkeit
Wem wirklich daran liegt, ein genügsames Miteinander zu verleben, ohne Vorwürfe, Schuldzuweisungen und Streit, der wird die Worte Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zu seinen neuen Wegbegleitern machen müssen. Und zwar bezogen auf sich und auf das Umfeld.
Gut, der Partner hat mal wieder den Geschirrspüler nicht ein-/ausgeräumt. Die Galle steigt einem hoch. Jetzt ist also der Moment gekommen, um innezuhalten. Warum ärgert mich das so? Na ja, wer mag schon das schmutzige Geschirr, das da herumsteht. Also, Antwort: Weil ich es gerne sauber und ordentlich habe.
Nun die andere interessante Frage: Warum macht der Partner das nicht? Höchstwahrscheinlich stört ihn das schmutzige Geschirr (oder was immer das Problem ist) nicht.
Jeder sieht die Welt eben anders und das muss man akzeptieren.
Hier unsere altbekannten Möglichkeiten, die Sache anzugehen.
a) Partner anfauchen und zurechtweisen (Konsequenz: Wird ziemlich sicher im Streit enden und hat zudem bisher nichts geändert).
b) selber machen und den Ärger in sich hineinfressen (Konsequenz: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man explodiert).
Das führt, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, in den meisten Fällen zu nichts, außer, dass man sich gehörig auf die Nerven geht.
Welche anderen Möglichkeiten gibt es?
Zugegeben, es wird schwierig, wenn nur einer der beiden Partner achtsam ist. Denn das würde bedeuten, dass der andere immer noch reaktiv agieren wird, und dann hat man es sozusagen mit einer Wand zu tun, gegen die man spricht.
Meistens ist es allerdings so, dass der Partner auf einem ähnlichen Bewusstseinszustand ist wie man selbst, wodurch er sich an das neue Verhalten anpassen wird.
1. Das Problem ansprechen (ohne Vorwürfe zu machen!)
Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man einen Wunsch äußert, den man begründen kann oder ob man jemanden Vorwürfe macht, weil er die Dinge anders sieht als wir.
»Ich weiß, ich bin ordnungsliebend und vielleicht nervt dich das manchmal, aber ich mag es eben lieber, wenn das Geschirr nicht herumsteht. Wäre es für dich in Ordnung, die Sachen einzuräumen, statt sie stehen zu lassen?«
Solche Vorschläge sollte man übrigens nur unterbreiten, wenn man nicht verärgert ist. Denn sonst hört sich das nicht nach einer Wunschäußerung, sondern wieder nach einem Vorwurf an.
Und ein Vorwurf sagt immer Folgendes:
»Wieso kannst du nicht die Dinge nicht so machen, wie ich das will«. Bedeutet: So wie du bist, bist du nicht richtig. Und das hört nun wirklich niemand gerne. Solche Vorwürfe führen deshalb oft zu einer Trotzreaktion und damit zum gegenteiligen Effekt.
Das ruhige Gespräch sollte in einer Beziehung immer das Mittel der Wahl sein. Höre, was der Partner sagt und versuche ihn zu verstehen. Das erwartest du schließlich auch von ihm/ihr.
Dies gestaltet sich allerdings oft nicht einfach, vor allem, wenn schon eine, seit länger vorhandene, starke Streitdynamik besteht. Dann bleibt in vielen Fällen nur folgende Möglichkeit:
2. Die eigene Sicht der Dinge ändern
Wenn der Partner nicht kompromissbereit ist und sich nicht ändern möchte, haben wir entweder die Möglichkeit, ihn zu verlassen, wenn wir mit dem Umstand nicht klarkommen, oder wir selbst müssen unsere Einstellung ändern.
Das bedeutet konkret: Wenn mir etwas wichtig ist und dem Partner ist es egal, dann muss ich in Eigenverantwortung dafür sorgen, dass es so ist, wie ich es möchte und nicht erwarten, dass der andere es tut.
Dann räume ich eben selbst den Geschirrspüler aus und ein, ohne darüber nachzudenken, dass das auch jemand anderes tun könnte. Ich will es so, dann mache ich es eben selbst. Wenn man diese Einstellung verinnerlicht hat, stört es einen plötzlich auch nicht mehr, dass der andere sich nicht einbringt.
Natürlich ist der Idealzustand einer Beziehung jener, in dem beide kompromissbereit etwas für das gemeinsame Wohl der Partnerschaft tun. Doch niemand sollte sich dabei eingeschränkt, übergangen oder zu etwas gezwungen fühlen.
Eine Beziehung bedeutet schließlich das Wachstum zweier Persönlichkeiten, wenn sie sich unterstützen und inspirieren und das Beste aus einem herausholen. Und hast du das nicht genau so empfunden, als ihr euch kennengelernt habt? Was immer euch zueinander geführt hat, steckt noch in euch. Manchmal vergisst man das, bei all den Unsinnigkeiten, die man so wichtig nimmt.
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