Epigenetik: Wie unser Glaube Gene und Verhalten steuert (Teil 1)
In dem heutigen Artikel wollen wir ein wenig in den wissenschaftlichen Bereich der Epigenetik eintauchen, die sich damit befasst, wie unsere Wahrnehmung der Umwelt, Gene und damit unser Verhalten beeinflusst. Damit widerspricht die Epigenetik dem alten Konzept, dass es unsere Gene sind, die unser Leben steuern und vorherbestimmen. Die menschliche Wahrnehmung entspricht unserem Glauben, und mit ihm soll es möglich sein, Gene zu aktivieren und unser Verhalten zu ändern! Diese Stellungnahme wollen wir uns auf molekularer Ebene ansehen.
Wir sind keine Opfer unserer Genetik
Es war die frühere Annahme, dass Gene unser Leben steuern, und da wir die Gene unserer Eltern haben, ist es nicht verwunderlich, dass so manch einer in Panik gerät, wenn er gehäuft Krebserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Familie beobachtet. Man fühlt sich als Opfer seiner Herkunft und machtlos ob des Willens der Natur, die wir für den Schreiber unseres Schicksals halten.
So seien die Gene nicht nur für unser Aussehen verantwortlich, sondern für Eigenschaften wie Nervosität, Angstzustände, Aggression, Schüchternheit und sogar Glücklichsein. Demnach wäre unser Leben vorgezeichnet, und wir – als die stillen Beobachter – hätten uns mit allem, was sich vor unseren Augen entfaltet, abfinden müssen.
Die Epigenetik gibt Hoffnung im scheinbar Hoffnungslosen, denn wie wir heute wissen, ist es die Wahrnehmung unserer Umwelt, die Gene aktivieren kann, und wie wir die Umwelt wahrnehmen, hängt mit unserem Glauben zusammen. Und diesen können wir ändern!
Mensch und Zelle
Jeder Mensch besteht aus etwa 50 – 75 Billionen Zellen. Und wenn man Mensch und Zelle einander gegenüberstellt, kann man erkennen, dass sie funktionelle und strukturelle Gegenstücke sind.
Ebenso wie der Mensch enthält jede Zelle ein Atmungssystem, endokrines System, Verdauungssystem, Immunsystem und Reproduktionssystem. Ihre Organe werden Zellorganellen genannt.
Die DNA (auch DNS im deutschen Sprachgebrauch für Desoxyribonukleinsäure) und damit unsere Gene befinden sich im Zellkern (=Nukleus) jeder Zelle.
Früher nahm man an, der Zellkern und die DNA seien das Kontrollzentrum der Zelle, also das, was für den menschlichen Körper das Gehirn ist.
Doch wie wir wissen, würde ein lebender Organismus, dem man das Gehirn entfernen würde, mit dem Tod reagieren. Interessanterweise konnten Experimente an Zellen zeigen, dass die Zellen nach Entfernung des Nukleus, noch einige Monate überlebten! Und nicht nur das, die Zellen waren in ihrem Verhalten absolut unverändert. Sie bewegten sich weiterhin, konnten mit anderen Zellen kommunizieren, wachsen und ihren Stoffwechselvorgängen nachkommen. Wie war das zu erklären?
Wie sich herausstellte, war der Zellkern mit der darin befindlichen DNA nicht für die Biologie der Zelle verantwortlich, das heißt, er kontrollierte nicht ihr Verhalten.
Zudem stieß man auf eine andere Unschlüssigkeit: Das Humangenomprojekt, welches alle Gene des Menschen identifizieren wollte, ging von etwa 100 000 Genen aus, die es bräuchte, um die menschlichen Merkmale kodieren zu können. Enthalten im Genom sind allerdings nur 25 000 Gene. Was gibt uns tatsächlich unsere Form und Struktur?
Proteine und Bewegung
Unsere Zelle kann man sich wie eine Maschine vorstellen, die aus Protein-Teilen besteht, und zwar aus etwa 70 000 – 90 000. Wie bereits erwähnt, besteht der Mensch aus etwa 50 – 70 Billionen Zellen. Wenn wir in den Spiegel sehen, sehen wir also Proteine, die uns Form und Struktur geben.
Proteine bestehen aus Aminosäuren, deren Sequenz und Länge die Unterschiede in den einzelnen Proteinen bestimmen. Die Protein-Teile interagieren miteinander und erschaffen das komplexe Gebilde, das wir Leben nennen.
Denn ihre Interaktion bringt sie in Bewegung, indem sie durch Bindung von Signalmolekülen (Hormone, Neurotransmitter, Zytokine usw.) ihre Ladung und damit ihre Struktur verändern.
Durch diese Bewegungen, das heißt aufgrund ihrer Formänderung, können die Proteine Funktionen übernehmen (Muskelkontraktion, Verdauung usw.). Damit sind sie nicht nur für unsere Physis, sondern auch für unser Verhalten, also die Aktionen und Handlungen, in denen wir uns ausdrücken, verantwortlich.
Zusammenfassend: Unser Verhalten wird durch Aktionen der Proteine bestimmt, die durch die Bindung eines Signals ausgelöst wird. Ohne Signale gäbe es keine Handlung.
Das Gehirn der Zelle
Das bedeutet, dass das Gehirn der Zelle jene Struktur sein muss, die die Signale kontrolliert, welche der Zelle sagen, wie sie auf ihre Umwelt reagieren soll. Diese Funktion übernimmt die Zellmembran, also die „Haut“ der Zelle, die sie von ihrer Umwelt nach außen abgrenzt.
Ein interessanter Zusatz für jene, die sich für Embryologie interessieren: Das Ektoderm (=äußere Keimblatt in der Embryonalentwicklung) bildet vor allem Haut und Gehirn + Nervengewebe –> hier also nochmal die Beziehung von Haut und Gehirn.
Die Membran nimmt wahr, was sich außerhalb der Zelle tut, und kann die Information an das Zellinnere weiterleiten und den Proteinen sagen, was zu tun ist.
Welche Funktion hat aber nun der Zellkern? Wie sich herausstellte, ist der Zellkern das Pendant zu unseren Gonaden (=Keim- oder Geschlechtsdrüsen) und somit für die Reproduktion verantwortlich. Was reproduziert er? Die DNA im Zellkern enthält den Blueprint aller Zellorganellen und kann beim Fehlen gewisser Proteine, die Information für die Reproduktion offenbaren.
Doch der Zellkern selbst weiß nicht, welches Protein wann benötigt wird. Er besitzt keine eigene Intelligenz, sondern ist nur der Aufbewahrungsort für Baupläne der Proteine.
Wie funktioniert die Zellmembran?
Ein Signal aus der Umwelt (wie Sonne, warme Luft, ein Geräusch, Gerüche, Chemikalien usw) wird von der Membran aufgenommen (primäres Signal) und so umgewandelt, dass es an das Zellinnere weitergegeben werden kann (sekundäres Signal). Dieses bindet an das Protein, welches eine Bewegung und damit ein Verhalten auslöst.
Die Epigenetik hat erkannt, dass erst das Umweltsignal zu einem Verhalten der Zelle führt. Ohne Umwelt wäre die Zelle leblos. Unser Verhalten ist also auf unsere Sinneswahrnehmung der Umwelt zurückzuführen.
In die Zellmembran eingebettet, finden sich abertausende von Proteinen, die einen wirken nach außen wie Antennen, um die Signale aufzufangen und sie ins Innere weiterzuleiten (Rezeptoren), und andere konvertieren das Signal in ein Verhalten (Effektoren als Kanäle, Enzyme oder Cytoskelett).
Um den Vergleich Mensch und Zelle beizubehalten: Unsere für das menschliche Auge sichtbaren Rezeptoren wären unsere Sinne (Augen, Ohren, Nase, Zunge, Tastkörperchen), die in unsere Haut eingebettet sind.
Rezeptoren haben die Funktion der Wahrnehmung der Umwelt und Effektoren produzieren eine Empfindung oder Antwort.
1. Merksatz der Epigenetik:
Die Wahrnehmung steuert unser Verhalten.
Wann benötigen wir die DNA?
Die DNA kommt erst dann ins Spiel, wenn Proteine, die ein Verhalten in der Zelle nach Eintreffen des Umweltsignals auslösen, nicht vorhanden sind. Denn die DNA enthält in ihrer Doppelhelix den Plan zur Kodierung bestimmter Aminosäuren und damit den Bausteinen der Proteine.
Wie können wir Gene der DNA aktivieren?
Gene können sich nicht selbst aktivieren oder abschalten, sie benötigen einen Input, der zu ihrer Aktivierung führt.
Sie werden also erst dann aktiviert, wenn wir sie zur Herstellung bestimmter Proteine benötigen, welches ein Verhalten in der Zelle auslösen soll.
Das heißt, erst ein Signal aus der Umwelt aktiviert die Expression eines Gens, und damit ist die Umwelt der Auslöser für die Genaktivierung.
Ein Beispiel: Sogenannte Krebsgene sind nicht der Auslöser für Krebs, sonst würden sie bereits nach unserer Geburt Krebs verursachen und nicht erst 40 Jahre danach. Es sind die Umweltstimuli, die zu einer Aktivierung dieser Krebsgene führen und damit den Krebs auslösen.
Aktivierung von Genen
Sehen wir uns an, wie es zur Aktivierung bestimmter Gene kommt. Der DNA Strang ist von einer Proteinhülle umgeben. Damit wir das Gen des DNA Strangs sehen können, müssen wir also erst die Proteinhülle entfernen. Die Proteine der Hülle fungieren wiederum als Rezeptoren und wenn ein bestimmtes Signalmolekül an seinen passenden Rezeptor bindet, wird das Gen an der DNA freigelegt, das exprimiert werden soll.
2. Merksatz der Epigenetik:
Die Wahrnehmung steuert unsere Gene.
Anpassung an die Umwelt
Was passiert, wenn wir in eine für den Organismus belastende Umwelt kommen, für die wir nicht ausgestattet sind und daher keine passenden Gene exprimieren können?
Früher sprach man davon, dass es zu zufälligen Mutationen kommt, wenn man beispielsweise einer Chemikalie ausgesetzt sei. Man wisse, dass es zu Mutationen käme, aber das Outcome sei zufällig, hieß es.
Das Feld der Epigenetik weiß heute, dass es keine zufälligen Mutationen sind, die zur Änderung unserer Genetik führen.
Mutationen entstehen als Antwort auf Umweltreize, die eine Anpassung erfordern, daher werden sie auch adaptive Mutationen genannt. Wir ändern unsere Gene, um an die Umwelt angepasst zu sein.
Festgestellt wurde dies in einem Experiment mit einem Bakterienstamm, der in fünf Teströhrchen aufgeteilt und einem belastenden Milieu ausgesetzt wurde. Die Bakterien in allen fünf Röhrchen wiesen exakt dieselben Mutationen auf, was ausschließt, dass Mutationen zufälligerweise erfolgen.
Spannend ist übrigens auch, dass die Wissenschaft herausgefunden hat, dass wir Gene besitzen, die die Fähigkeit besitzen, bestehende Gene zu überschreiben, falls dies aufgrund einer Anpassung an die Umwelt notwendig ist.
Wahrnehmung unserer Umwelt
Die Fähigkeit zur Mutation und damit Anpassung an die Umwelt erfolgt in dem Maße, in dem wir „glauben“, dass sie notwendig ist. „Glauben“ deshalb, weil unsere Wahrnehmung der Welt keineswegs korrekt sein muss (Wir wissen, wie unterschiedlich jeder von uns seine Umwelt wahrnimmt, selbst wenn wir im selben Umfeld aufgewachsen sind).
Wir könnten uns zum Beispiel in einem Umfeld befinden, das für den Organismus fördernd ist, es in unserer Wahrnehmung (mit unseren Gedanken) aber als feindlich ansehen. So könnte diese (negative) Wahrnehmung Gene zum Überschreiben anderer Gene anregen und damit zu einer Mutation führen.
Unsere persönliche Wahrnehmung, also unsere Gedanken und die Glaubensgrundsätze, die wir daraus formen, sind also tatsächlich in der Lage, unsere Genetik zu verändern!
3. Merksatz der Epigenetik:
Die Wahrnehmung überschreibt unsere Gene.
Die Epigenetik hat jedoch festgestellt, dass ein Überschreiben der Gene in 95% der Fälle einen negativen Ausgang hat, da wir bereits mit den für uns passenden Genen ausgestattet wurden.
Die Intelligenz unseres Körpers ist so faszinierend wie das Wachsen eines Baumes, das Aufblühen einer Blume oder das Leben eines Tieres. Wir versuchen das Unerklärliche zu erklären, das Mysteriöse zu entmystifizieren und haben das Wunder des Verstandes nicht selten für Feindseligkeit genutzt, die uns selbst und unsere Umwelt zerstört. Wer stillhalten und vertrauen, und an das Gute glauben kann, dem wird das Glück zuteil, vom Strom getragen zu werden, und ohne Kampf und ohne Gram zu schwimmen, in diesen köstlichen Gewässern, die wir Leben nennen.
Die Autorin
Dr. Anna N. Kluger
Früher als Ärztin tätig, ist Anna heute Autorin, Mentorin und Entwicklerin des Online-Kurses „Endlich glücklich!“ Neben ihren Büchern und ihrem Kurs teilt sie ihr Wissen und ihre Expertise auf YouTube, ihrem Podcast „Du hast mehr Macht, als du denkst“ und ihrem Blog. Zur Autorenseite auf Amazon
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